„Macht’s mehr Musik, dann habt’s mehr Liebe!“: Ein Interview mit Andi Starek von der Organisation Orienthelfer e.V.

„Macht’s mehr Musik, dann habt’s mehr Liebe!“: Ein Interview mit Andi Starek von der Organisation Orienthelfer e.V.

Was macht ein Rockmusiker bei einer Organisation, die in Lagern für Geflüchtete im Libanon Küchen installiert? Besitzen Menschen, die sich für Geflüchtete einsetzen, ein Helfer*innen-Syndrom? Und wie oft isst ein ‚echter‘ Bayer eigentlich Weißwurst? Diesen und mehreren Fragen gingen wir in München auf den Grund.

 

Andi Starek ist hauptberuflich Musiklehrer und Musiker in verschiedenen Projekten. Seit fünf Jahren arbeitet der gelernte Koch ehrenamtlich bei der Organisation Orienthelfer. Zu seinen Haupttätigkeiten zählen internationale und nationale Transporte von Spenden sowie logistische Aufgaben und Kochschulungen im Libanon. Durch sein Mitwirken bei der Organisation entwickelten sich zudem mehrere Einzelprojekte, wie das Musizieren mit Menschen mit Behinderungen. Ein neues Projekt ist die Etablierung von Bio-Farmen im Libanon als Beispiel für selbstständige und von der Organisation unabhängige Arbeit, um die Hilfe zur Selbsthilfe zu sichern. Diese ist im Konzept der Orienthelfer verankert, um die Menschen in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken. Darüber hinaus leitet Andreas eine Rockband für Kinder und ist Botschafter für das Projekt „Schule ohne Rassismus“. In einem Gespräch mit ihm erhielten wir einen Einblick in seine Arbeit und seine persönliche Haltung.

In der Unterhaltung wirkt er weder angespannt noch aufgeregt. Er ist gelassen und sichtlich erfreut an unserem Interesse an ihm und seinen Tätigkeiten.

Foto: Levina Mink

Von Beginn an macht es auf uns den Eindruck, dass Andi Starek sein Ehrenamt und seine Arbeit mit vollem Herzen ausführt. Das wird auch deutlich, wenn er den für ihn schönsten Teil in seinem Arbeitsalltag beschreibt, nämlich: „Ganz klar: Menschenleben retten. Das steht an erster Stelle für mich.“Es geht für ihn dabei in erster Linie um die Versorgung von Menschen und ihnen Chancen und Bildung zu geben. Die Betreuung von Einzelfällen stellt außerdem den Kern seiner Tätigkeit bei den Orienthelfern dar und nicht der Anspruch, die ganze Welt zu retten. Im Gegensatz dazu beschreibt er als besonders negatives Gefühl, wenn er Kommentare von Leuten hört, die seiner Meinung nach „keine Ahnung haben, die sich damit nicht beschäftigen. Unwissenheit ist oftmals sehr negativ.“Er kritisiert, dass durch das Internet viel Unwahrheit verbreitet und Hass geschürt wird.

 

„Es wird viel mehr Hilfe gebraucht, als wir geben können.“

Nachdem das Wort „Hilfe“ mehrfach fiel, brennt uns die Frage auf der Zunge, ob er seiner Meinung nach ein Helfer*innen- Syndrom habe. Obwohl Andi viele (ehrenamtliche) Menschen kenne, die dieses tatsächlich haben, verneint er diese Frage. Für ihn sei es „selbstverständlich Menschen zu helfen, die in Not sind, ganz egal aus welchem Land“. In Bezug auf die Hilfeleistung sagt er, es gebe hierbei keine Grenzen: „es wird viel mehr Hilfe gebraucht, als wir geben können“.Dabei versteht er seine Hilfe auch als internationale Solidarität, jedoch überlässt er politische Aspekte seiner Arbeit gerne anderen. Grundsätzlich behält er seine politische Meinung für sich, denn sonst „wirst du sofort angegriffen und das möchte ich nicht“. In diesem Zusammenhang betont er die Wichtigkeit, dass gerade jetzt Kinder und Jugendliche über die Thematik geschult werden müssen; Erziehung zur Solidarität – gerade in Bezug zum Thema Flucht.

Auf die Frage, ob er in seinem Arbeitsalltag mit rechter Hetze in Kontakt komme, antwortet er, dass er persönlich keine Berührungspunkte mit rechts orientierten Menschen hat. Durch seine Tätigkeit als Musiker verfügt er aber über einen großen Facebook-Bekanntenkreis, der ganz unterschiedlich politisch orientiert ist und den er bewusst aufrechterhält, um mitzubekommen, was sich zurzeit in der Welt über soziale Medien abspielt. Und was er mitbekommt, ist leider sehr erschreckend. Auch Rassismus nimmt in diesem Kontext einen großen Raum ein. Unter den Orienthelfern gibt es Andis Einschätzung nach gar keinen Rassismus. Für ihn ist Rassismus „ein ganz großes No-Go. Für mich sollten alle Menschen gleich sein.“So sei es zwar leider nicht, aber er versuche mit jedem Menschen offen zu sein und gut klarzukommen. Auch wenn er Erfahrungen macht, dass das nicht immer funktioniert. Andi ist ein Mensch, der mit allen gut auskommt und gut auskommen möchte „was nicht immer ein Vorteil ist“. Er gesteht uns, dass er oft leichtgläubig sei und immer das Positive in den Menschen sehe, aber es gebe eben auch „Gut und Böse“.

Foto: Levina Mink

„Make love, not war!“

Wir thematisieren, dass in der heutigen globalisierten Welt eine Trennung von Lebensrealitäten kaum noch möglich ist, da der Lebensstil der Menschen im globalen Norden die Lebensbedingungen derer im globalen Süden maßgeblich beeinflusst. Durch die zunehmende Globalisierung werden auch Fluchtbewegungen verursacht, beispielsweise aufgrund von Waffenexporten, Klimawandel, Ausbeutung und weiterer Aspekte sozialer Ungerechtigkeit.

In der Konfrontation, was Andi privat gegen dieses Machtgefälle unternehme, bezeichnet er dies als ein „ganz schwieriges Thema“. Nach einer längeren Pause erzählt er zögernd: „Ich versuche auf meine Art und Weise das Leben von Menschen besser zu machen, so wie ich es hier mit Orienthelfer mache (…) aber meine ganz persönliche Meinung ist, (…) dass die Menschheit sich sowieso kaputt macht. (…) Das kannst du nicht aufhalten. Das können wir nicht aufhalten. Du kannst nur versuchen, dass du deinen Teil dazu beiträgst, dass es etwas besser wird. Weil es schon immer so war, dass die Großen in der Welt einfach die Welt steuern und das wird sich, glaube ich, nicht ändern. (…) Und ich ertapp mich selbst auch, also ich kauf auch mal ‘nen Kaffeebecher To Go, auch wenn ich weiß, das ist eigentlich scheiße.“Lachend erklärt er uns, dass er versucht, seinen Teil dazu über die Musik beizutragen: „Macht’s mehr Musik, dann habt’s mehr Liebe!“ Bestünde für ihn die Möglichkeit, ein Transparent für die Fassade des deutschen Bundestags zu gestalten, wäre sein Leitsatz: „Einfach des ganze Leben ned so wichtig nehma. Nehmt euch nicht so wichtig!“Weil er aus der 80er Generation stammt, würde er das Banner ganz spontan mit der Aufschrift: „Make love, not war!“versehen.

Bei einer Frage gerät Andi dann doch ins Schleudern. Wir sprechen ihn auf die Sachspenden, wie zahlreiche Kuscheltiere oder die Feldküchen der Bundeswehr an, die von den Orienthelfern zu den Projekten transportiert werden. Kritiker*innen bemängeln, dass durch solche Spendenaktionen das ungleiche Retter*innen- Opfer-Verhältnis zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden aufrechterhalten und verfestigt wird. Andi: „… Wie soll ich das jetzt beantworten?… Ich glaub da eigentlich nicht dran… Kleine Hilfe kann wahnsinnig viel bewirken.“Bei anderen Hilfen sei es genauso. Menschen müssten sie nur gut und richtig einsetzen, damit sich das Machtverhältnis nicht festige.

Im Hinblick auf die Zukunft findet er es wünschenswert, wenn es die Organisation nicht mehr geben müsste, „aber das wird leider nicht so sein“.

Unseren Abschluss bildet die Frage, wann Andi denn seine letzte Weißwurst gegessen habe, da dies ja ‚zum authentischen Bayern dazu gehöre‘:„Meine Weißwurst?“, er lacht:„Wann ich die letzte gegessen hab?… Vor zwei Monaten so…“Zudem teilt er uns mit, dass er seine Lederhose nicht privat trägt!

Was er uns noch mit auf den Weg geben möchte: er findet unser Projekt super, ist besonders auf die Ankunft in Griechenland gespannt, wünscht uns ganz tolle Erlebnisse und würde uns wahnsinnig gerne (ohne seine Lederhosen) begleiten. „Auf dass wir in Kontakt bleiben!“

von Annette Adams, Sophia Dykmann, Weena Mallmann, Levina Mink und Dilara Norden

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